Lass dich in keine Schublade stecken

„Ich weiß gar nicht, wie du es bis in die 9. Klasse geschafft hast. Mit diesen Noten wirst du das Abitur nicht schaffen.“ Das waren die Worte meiner Mathematiklehrerin als sie mir mal wieder einen Mathe Vierer in die Hand drückte.
Mit Zahlen umgehen machte mir Spaß und ich hatte fleißig gelernt. Eine Drei hätte ich mindestens erwartet. Irgendwie hatte ich das Gefühl, ich konnte so viel lernen ich wollte, ich kam auf keinen grünen Zweig. Ich saß in der Vierer – Schublade.
Und das nicht nur in Mathe, es gab auch eine Vierer Schublade in den Fremdsprachen und in Deutsch.

Der einzige Lichtblick waren die Naturwissenschaften, sie hielten meine Schublade etwas geöffnet.

Nach der 11. Klasse kletterte ich aus der Schublade heraus und wechselte die Schule. Mit dem neuen Mathe-Lehrer verbesserten sich meine Noten signifikant und auch in Deutsch lief es besser. Das Abitur schaffte ich hervorragend, trotz der Unkenrufe meiner ehemaligen Mathe-Lehrerin. Meine Freude an den Fremdsprachen kam erst später, aber das ist eine andere Schublade.

Wir stecken andere Menschen gerne schnell in eine Schublade. Es gibt z. B. Schubladen nach sozialer Herkunft, Aussehen, Geschlecht, Familiensituation, schulische Ausbildung, Wohnviertel, Alter, Nationalität, Beruf und viele andere. Warum machen wir das?

Das Einsortieren anderer Menschen in Schubladen erfolgt evolutionsbedingt immer, wenn wir einem anderen Menschen begegnen. Unser Gehirn sortiert zuerst einmal nach Gut und Böse.  Mit jeder weiteren Information platzieren wir unser Gegenüber in weiteren Schubladen und machen uns ein Bild über diesen Menschen. Das geht ganz schnell. Wer kennt nicht die Schubladen mit der Aufschrift „Männer hören nicht zu“ – oder „Frauen können nicht einparken“?
Wenn Informationen fehlen, ist unser Gehirn sogar so trickreich, dass es sich selbst die fehlenden Informationen erschafft. Die Basis dafür sind unsere Erfahrungen, unser Bild von ähnlichen Menschen oder übernommene Ansichten.

Schließen wir die Schublade, verfestigt sich unser Bild über einen anderen Menschen. Wir müssen uns mit unserem Gegenüber nicht mehr auseinandersetzen. Das ist einfach und bequem.

So wie wir andere Menschen in Schubladen stecken, werden auch wir von anderen Menschen in Schubladen gesteckt. Das fühlt sich nicht immer gut an, vor allem wenn es die falsche Schublade ist. „So bin ich doch gar nicht, wie der mich sieht.“ Vielleicht kennst du das aus deinem Arbeitsumfeld wo du z. B. in der Nicht-Akademiker-, Junge-Mutter- oder Nicht-von-hier-Schublade steckst.

Bemerken wir, dass uns jemand unberechtigterweise in eine Schublade gesteckt hat, sind wir auf diese Person sauer oder wütend.

Wir suchen nach Erklärungen. Wir sehen beim geringsten Anlass wieder eine Bestätigung, dass wir in dieser Schublade stecken. Damit manövrieren wir uns jedoch selbst noch weiter in die Schublade hinein. Mit Wut und Ärger finden wir jedoch keine kreative Lösung aus der Schublade heraus. Unser Gehirn befindet dabei im Kampf- und Flucht Modus, einem Relikt aus früheren Zeiten, das unseren Vorfahren das Überleben sicherte.

Wie kommen wir wieder aus der Schublade heraus?

Für eine kreative Lösung musst du zunächst den Kampf- und Flucht Modus beenden. Kurzfristig hilft dir eine Atemübung bei der du tief in deinen Bauch einatmest, den Atem für ein paar Sekunden anhältst und dann langsam wieder ausatmest. Dabei denkst du daran wie es sein wird, wenn du die Schublade verlassen hast. Wiederhole diese Übung bis du das Gefühl hast, innerlich ruhig zu sein.

Einfacher geht es mit dem kinesiologischen Stirn-Hinterkopf-Halten. Dabei legst du eine Handinnenfläche flach auf deine Stirn und die Innenfläche der anderen Hand gegenüber auf den Hinterkopf.

Du denkst an die Schublade und deine Wut darauf. Du wirst bemerken wie du langsam ruhiger wirst. Achte auf ein Zeichen deines Körpers, wie das Gähnen, damit du weißt, wann es gut ist.
Du kannst auch beide Methoden kombinieren.

Damit du mittelfristig immer öfters den Kampf- und Fluchtmodus vermeidest, helfen dir regelmäßige Bewegung, eine ausgewogene Ernährung, ausreichend Schlaf oder Meditation. Du darfst dir auch Unterstützung holen. Beispielsweise helfen dir Kinesiologen, die Ursache für deinen Kampf- und Fluchtmodus zu finden und auf natürliche Art und Weise zu beseitigen.

Auch wenn wir es nicht so gerne hören, es hängt oft an uns selbst, in welche Schublade wir gesteckt werden. Das passiert durch unser Handeln, Verhalten, Aussehen, unsere Mimik oder irgendetwas anderes, das bei unserem Gegenüber eine Reaktion auslöst.
Die Kategorisierung in Schubladen lässt sich zunächst nicht vermeiden, aber wir können verhindern, dass sich die Schublade schließt und sich ein falsches Bild festigt.

Viele Menschen beginnen sich zu verteidigen, wenn sie bemerken, dass sie eine andere Person in eine Schublade gesteckt hat.
„Warum macht der das?“, „Das darf die doch gar nicht!“, „Das ist ungerecht!“ sind Gedanken, die dich weiter in die Schublade stecken und diese mehr und mehr schließen.
Du wirst die andere Person nicht ändern. Es liegt an dir, zu handeln.

Nach dem Verlassen des Kampf- und Flucht Modus, bist du bereit, kreativ zu handeln.
Du könntest dir zuerst einmal selbst darüber klar werden, in welcher Schublade du deiner Ansicht nach steckst. Mach das möglichst genau und visualisiere deine Schublade mit einem Bild oder einer Skizze. Schreibe den Namen deiner Schublade in das Bild. Es können Begriffe sein wie <Zu jung>, <Zu alt>, <Spricht nicht wie die Einheimischen>, <Mann mit Haarzopf>, <Mutter mit kleinen Kindern>, <Unzuverlässig>, <Schüchtern>. Du findest sicherlich deinen passenden Begriff.
Es wäre auch hilfreich, bestimmte Verhaltensweisen deines Umfeldes aufzuschreiben an denen festmachst, dass sie dich in eine Schublade steckten. Möglicherweise sind es auch mehrere Schubladen.

Im nächsten Schritt schauen wir in den Spiegel. Du kannst das gerne auch wörtlich nehmen. Frage dich: „Wer bin ich aus meiner Sicht?“.

Manchmal neigen wir dabei, ein Wunschbild von uns zu beschreiben. Schreibe deine Eigenschaften auf ein Blattpapier. Sei bitte sehr selbstkritisch und achte darauf, dich so zu beschreiben, wie du tatsächlich bist. Vielleicht hilft es dir, wenn du deine Beschreibung von einem Menschen, dem du vertraust, verifizieren lässt und dir so ein Fremdbild holst.

Vielleicht entdeckst du dabei, dass du auch selbst dazu beiträgst, in eine Schublade gesteckt zu werden. Durch bestimmte Punkte in deinem Verhalten, deinem Aussehen, deinen Worten oder etwas anderes. Möglicherweise willst du in einzelnen Punkten gar nicht so sein, wie du bist.
Schon dieses Bewusstsein ist sehr viele wert. Es bietet dir die Chance, zu verändern was du verändern möchtest. Du gehst damit den Weg zu dir selbst. Du bist Du und die Anderen sind anders.

Gehe einfach den ersten Schritt. Wähle einen deiner zu verändernden Punkte und beginne ihn zu ändern, so wie du es möchtest. Es ist leichter als du denkst.

Natürlich kann es auch sein, dass du zum Ergebnis kommst, so wie ich bin, ist es für mich genau richtig. Welche Möglichkeiten hast du dann?

Du kannst mit der Person sprechen, die dich in eine Schublade steckt. Vielleicht gehört etwas Mut dazu.

Sprich darüber, dass du das Gefühl hast, in eine Schublade gesteckt worden zu sein, obwohl das deiner Ansicht nach nicht berechtigt ist. Das kann manchmal sehr schnell helfen. Oft ist es Menschen nicht bewusst, dass sie andere Personen in Schubladen stecken. Mit einem Gespräch hilfst du nicht nur dir, sondern auch deinem Gegenüber.

Eine weitere Möglichkeit ist es, in der Schublade stressfrei weiterzuleben. Du weißt, so wie du bist, ist es gut für dich.

Damit stressfrei zu leben ist nicht immer einfach, aber möglich. Externe Unterstützung kann dir dabei helfen.

Als letzte Möglichkeit bleibt dir, die Schublade zu verlassen indem du dir ein neues Umfeld schaffst. Das können eine andere Schule, ein anderes Unternehmen, eine andere Stadt, neue Freunde, Bekannte und Partner sein. Achte dabei, dass es nicht einfach eine Flucht aus der bestehenden Situation ist. Die neue Situation muss dir eine neue, bessere Perspektive bieten. Sonst hast du das Risiko, schnell wieder in einer Schublade zu landen. Manchmal ist es sogar dieselbe Schublade wie zuvor, nur anderswo.

Vielleicht hast du inzwischen bemerkt, dass auch du andere Menschen vorschnell in Schubladen steckst. Mit dem Schubladisieren verengen wir unseren Blickwinkel und verhindern die Entwicklung neuer Ideen. Wir nehmen damit anderen Menschen die Möglichkeit, sich weiter zu entwickeln.

Wenn du möchtest, kannst du daran arbeiten, das Schubladisieren mehr und mehr zu reduzieren.

Jeder Mensch ist, so wie er ist, einzigartig. Wäre es nicht langweilig, wenn alle Menschen gleich sind? Bevorzugt sogar genauso wie wir selbst?
Vielleicht kannst du aus dem Anderssein einer anderen Person etwas Positives für dich ableiten. Warum nicht einmal mit einem Menschen, den wir aufgrund seiner Äußerlickeiten schubladisieren, offen sprechen.

Warum nicht auch einmal mit einer Ripped Jeans ins Konzert gehen? Es muss ja nicht gleich das Büro sein.

Egal ob du selbst aus der Schublade kletterst, stressfrei darin bleibst, ein Gespräch suchst, dein Umfeld wechselst oder andere Menschen selbst weniger schubladisierst, es kann ein anstrengender Weg sein. Am Ende lohnt es sich für uns selbst, die anderen Menschen und die Gesellschaft aller Menschen für ein friedvolleres und glücklicheres Leben.

Fühlst du dich angesprochen, dann lass uns in einem für dich kostenfreien Erstgespräch darüber reden.
Du kannst dann immer noch entscheiden, ob du dich unterstützen lässt, deine Lösung alleine suchst oder einfach so weiter machst, wie bisher.
Oder du machst es wie Marylin Monroe, die sagte: „Lass dich nicht in eine Schublade stecken. Wenn es doch jemand versucht, klemm ihm die Finger“.

Gehe deinen persönlichen Weg. Du hast die Wahl.


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Elisabeth und Walter Roggenstein