Freiheit oder Sicherheit?

Ehrlich gesagt, hatten wir uns zu dieser Frage jahrzehntelang keine Gedanken gemacht.
Als Babyboomer wuchsen wir in einer Zeit des zunehmenden materiellen Wohlstandes und der gefühlten Sicherheit auf.
Natürlich gab es da die latent vorhandene Gefahr eines Krieges, den unsere Eltern selbst real erlebt hatten.

Wir durften in Freiheit aufwachsen. Das war vor allem die Freiheit, frei zu spielen. Unsere Eltern wussten meist nicht, was wir alles machten. Das war auch besser so. Helikopter-Eltern waren noch nicht erfunden.

Als Jugendliche hatten wir das Ziel, möglichst schnell aus dem Korsett der Konventionen und Erwartungen unserer Eltern zu entfliehen. Unser Drang nach Freiheit war größer als das Bedürfnis nach Sicherheit. Nach der Schule ausziehen in eine WG oder ein kleines Zimmer war das Höchste.

Bei der Berufswahl war die Freiheit der Selbstverwirklichung eher kleiner. Es wurde uns bewusst, dass wir für unseren Lebensunterhalt selbst sorgen müssen. Bei der Ausbildung und für einen gut bezahlten Arbeitsplatz standen wir in Konkurrenz zu zahlreichen Altersgenossen.

Das deutsche Wirtschaftswunder war vorbei. Wir erlebten regelmäßige Wirtschaftskrisen, Entlassungen von Mitarbeitern, Firmeninsolvenzen. Wir lernten, dass es keine absolute Sicherheit gibt. Wir gingen Risiken ein ohne uns dessen immer bewusst zu sein. Die Freiheit, Neues zu erfahren, war größer als im vermeintlich sicheren Status Quo zu bleiben.

Der Spagat zwischen Freiheit und Sicherheit wurde uns erst auf dem Jakobsweg in Spanien so richtig bewusst. Der Tagesablauf ist dort sehr einfach strukturiert: Aufstehen – Anziehen – Losgehen – Sich mit anderen Menschen austauschen – Essen – Übernachtungsherberge suchen – Schlafen. Tag für Tag, 6 Wochen lang.

Wir hatten die Freiheit zu wählen, wieviel Kilometer wir an einem Tag gehen. Wir konnten wählen wo wir eine Rast einlegen und mit welchen Menschen wir ein tiefgehendes Gespräch führen. Die einzige offene Frage war, ob es an unserem Zielort noch ein freies Bett gibt.

Bereits am ersten Tag lernten wir Menschen kennen, die den gesamten 900 km langen Weg durchgeplant hatten. Sie besaßen eine Liste aller Tagesetappen und hatten für jeden Ort bereits eine Herberge reserviert. Das gab ihnen die Sicherheit, dass sie auf jeden Fall eine Übernachtungsmöglichkeit hatten.

Ohne diese Sicherheit wären sie erst gar nicht gestartet. Es nahm ihnen jedoch die Freiheit, an einzelnen Orten länger zu verweilen. Längere Gespräche mit Menschen, die andere Tagesetappen hatten, waren nicht möglich.

Den ein und anderen dieser Menschen trafen wir dann später unerwartet wieder. Das reale Leben hatte ihre ambitionierte Planung über den Haufen geworfen. Eine Sehnenscheidenentzündung, Verstauchung oder ein Krankenhausaufenthalt wegen Verdacht auf Herzinfarkt zwang sie zu einer nicht geplanten Pause. Das Leben und der Weg gaben ihnen einen Teil ihrer Freiheit zurück. Die meisten setzten ihren Weg mit einer kurzzeitigeren Planung fort und erreichten glücklich ihr Ziel.

Körperliche, seelische oder materielle Sicherheit sind Grundbedürfnisse des Menschen. Unabhängigkeit und Freiheit sind wie die Wertschätzung durch andere Menschen weitere Bedürfnisse. Wir streben nach Selbstverwirklichung.  Erfüllte Bedürfnisse sichern unser gesundes Leben.

Es geht daher nicht um Freiheit oder Sicherheit. Es geht um Freiheit und Sicherheit. So wie es im Artikel 6 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union verankert ist.

Manchmal ist es herausfordernd, beide Bedürfnisse gleichzeitig ausreichend zu erfüllen.

Wir reden viel über Freiheit und Sicherheit in der Welt, in der Familie, Gesellschaft, Wirtschaft und anderen Ländern. Die eigentliche Herausforderung beginnt jedoch bei uns selbst.

  • Was bedeuten Freiheit und Sicherheit für mich konkret?
  • Wieviel Sicherheit gebe ich auf um mehr Freiheit zu erlangen?
  • Wieviel Freiheit opfere ich für mehr Sicherheit?

Die Antworten führen uns zu unserem persönlichen Gleichgewicht von Freiheit und Sicherheit.

Sie führen uns auch zu unserem inneren Gleichgewicht, unserer inneren Zufriedenheit und unserer Selbstverwirklichung.

Die Menschen der Generation Babyboomer stehen vor einem neuen Lebensabschnitt. Die erwachsenen Kinder sind aus dem Haus.

Das Schild mit der Aufschrift Rente kommt in Sichtweite. Diesen Zeitpunkt von Freiheit ersehnten wir lange. Endlich machen, was wir möchten.

Gleichzeitig wird uns aber auch immer mehr bewusst, dass wir für die Erfüllung anderer Bedürfnisse neue Wege benötigen. Die Kinder leben ihr eigenes Leben. Wir finden uns nach vielen Jahren wieder in der verlernten Zweisamkeit mit unserem Partner. Berufliche Kontakte, soziale Zugehörigkeit und Wertschätzung fallen weg.

Das ist eine spannende Zeit der Veränderung. Es lohnt, sich frühzeitig damit zu beschäftigen. Für ein gesundes Leben in Freiheit und Sicherheit.

Falls du Unterstützung benötigst, bieten wir dir im ersten Schritt ein kostenloses Erstgespräch an.

Du kannst dann immer noch entscheiden, ob du dich unterstützen lässt, deine Lösung alleine suchst oder einfach so weiter machst, wie bisher. Du hast die Wahl.


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Elisabeth und Walter Roggenstein